Warum schlägt der sogenannte Sanierer Kay Michel die SKW AG kaputt?

Warum schlägt der sogenannte Sanierer Kay Michel die SKW AG kaputt?

Eigentlich trat SKW-Chef Kay Michel an, um die Firma SKW Stahl-Metallurgie Holding AG aus einer Schieflage zu retten. Stattdessen scheint er sie gezielt zu ruinieren. Das ist möglicherweise eine Strategie zugunsten des US-Hedgefonds Speyside.

Der erste April 2014 war sein erster Arbeitstag. Das ist kein Witz. Es heißt, ein gewisser Dirk Markus habe Kay Michel zu SKW geholt. Dirk Markus? Bei einigen mag dieser Name ein lautes Klingeln auslösen. Alarm!

Denn Dirk Markus ist der Gründer von Aurelius, einer Firma, die eine zeitlang als Brachialsanierer ins Gerede kam. Die Aufregung über Aurelius hat sich inzwischen gelegt.

Bevor er Aurelius gründete, führte Markus gemeinsam mit dem schillernden Schlossherren Peter Löw die Beteiligungsgesellschaft Arques Industries, die jetzt Gigaset heißt.

Löw, der fromme Reserveoffizier und Multimillionär beteiligte sich an mehr als 200 Unternehmen oder übernahm diese ganz und verkaufte sie nach harter Sanierung weiter. So wie Markus gilt Löw nicht gerade als emotionales Weichbrötchen. In einem Interview sagte er:

Wir kaufen Firmen, die Verluste machen oder zumindest extreme Underperformer sind. Die werden nach dem Nettosubstanzwert, also ihrem meist geringen Vermögen, bewertet. Einen Ertragswert gibt es ja nicht, weil kein Ertrag da ist. Manchmal bekommen wir vom Verkäufer auch eine Zuzahlung auf erwartete Verluste. Wenn wir die Firma dann erfolgreich umstrukturiert haben, verkaufen wir sie wieder. Das gewöhnliche Tagesgeschäft ist langweilig. Das ganze Interview steht → hier.

Auch SKW gehörte mal zum Löw-Portfolio. 2004 übernahm Löws Arques Industries die Metallurgiesparte der Degussa und machte seine Finanzchefin Ines Kolmsee zur Unternehmensleiterin. Mit ihr brachte er die Firma zwei Jahre später unter dem Namen SKW an die Börse. Damals galt SKW als gesund. Kurz nach dem Börsengang stieg die Aktie auf knapp 36,50 Euro.

Die Euphorie währte aber nur kurz. SKW stürzte ab. Und es brach Streit aus. Jeder gegen jeden, das hat sich bis heute nicht geändert. Im Juni 2008 kam es bei der SKW-HV zum Eklat, der komplette Aufsichtsrat wurde gestürzt, darunter auch zwei hochrangige Ex-Manager von Arques. Genauer gesagt die Herren Markus Zöllner und Manfred Vorderwülbecke.

Eine scheinheilige Pressemitteilung von SKW erwähnt den Aufstand nur am Rande.

Ein Jahr später wird der dreiköpfige Aufsichtsrat erweitert, zum ersten Mal taucht der Name Titus Weinheimer auf. Ein Mann, der beim diskreten Firmenraub der SKW AG noch eine wichtige Rolle einnehmen sollte. Auch der oben erwähnte Dirk Markus gehörte fortan zum Gremium.

Ob und auf welche Weise die damalige SKW-Chefin Kolmsee am Niedergang des Unternehmens schuld war, darüber lässt sich streiten. Und zwar heftig. Als Michel seine Vorgängerin ablöste, ließ er sie verklagen und forderte einen Schadenersatz in Höhe von 55 Mio. Euro. Gleichzeitig schrieb er 84 Mio. Euro ab, die zwei von Kolmsee betriebene und gescheiterte Produktionsstätten in Schweden und Bhutan verschlungen haben sollen. Schon damals tauchten Zweifel an der Rechnung auf. Die Klage gegen Kolmsee scheiterte.

Das Manager Magazin schrieb in einem Artikel darüber:

Auch der Kauf eines Werkes für Kalziumkarbid in Schweden im Jahr 2011 stellte sich augenscheinlich nicht als so nachteilig dar wie von Michel behauptet. Anfänglich entstanden aus der Sanierung der Fabrik hohe Verluste, die aber im Laufe der Jahre sanken. Dennoch schrieb Michel das Werk auf Null ab – als sei es unrettbar verloren. Drei Monate später verkaufte er es an die Alzchem, die es seit 2016 profitabel betreibt. Hier geht’s zum → ganzen Artikel.

Apropos Alzchem: Die Firma gehörte – genauso wie SKW – zum RAG-Erbe (heute Evonik) und ist jetzt Teil der Livia-Gruppe, die unter dem Kommando von „Lieutnant Colonel“ Peter Löw steht.

So schließen sich die Kreise.

Und Evonik? Wieder klingelt es bei meinen kundigen Lesern. Da ist auch der Bogen zu Ex-Evonik-Manager und Speyside-Chef Oliver Maier nicht weit, der sich gerade und ganz offensichtlich mit Michels Hilfe die SKW AG unter den Nagel reißt.

Seid auf der Hut vor Speyside Equity! Die Firmenräuber um Oliver Maier räumen SKW leer

Die hohen Abschreibungen von Michel haben damals der SKWAG das Rückgrat gebrochen, sagen Beobachter heute. Und noch diverse andere Maßnahmen, die den Wert der Holding drastisch nach unten zogen. Allerdings ohne dabei die prosperierenden Unternehmenstöchter in Nord- und Südamerika zu belasten.

Das Segment Nordamerika der SKW steigerte sein EBITDA im dritten Quartal 2017 um 44%, Südamerika um 46% und alle anderen Beteiligungen inklusive der Holding um sagenhafte 389%.

Dieses nicht unwichtige Detail halte ich für ein aufschlussreiches Indiz dafür, dass mit Michel kein blindwütiger Unhold einzog, sondern ein scharf kalkulierender Mensch mit klarem Ziel vor Augen.

Nein, Michel, der von ehemaligen Mitarbeitern als gelegentlich sehr aufbrausend, aber im Grunde seines Wesens vernunftbegabt und sogar als charmanter Rhetoriker beschrieben wird, ist alles andere als ein Depp.

Eines der kühl anvisierten Ziele auf dem Weg in den strategischen Ruin muss dann auch gelautet haben: Mach die Kassen leer!

Ein in meinen Augen völlig vermeidbares Desaster war die Strafzahlung an die BaFin (668.000 Euro) für die verspätete Abgabe des Halbjahresberichts 2016. Oder gigantische Honorare für diverse Beratungsleistungen – fast 9 Mio. Euro im Jahr 2016!

Ein weiterer wichtiger Hinweis auf Michels ruinöse Mission war das Abwimmeln potenzieller Investoren.

Denn ich kenne mindestens drei Interessierte mit Übernahme-Angeboten, die dabei geholfen hätten, den Squeeze-out und die Insolvenz zu vermeiden, aber mit hohlen Phrasen abgewimmelt wurden. Und ich frage mich, ob ein Vorstand, der im ehrlichen Interesse aller Gesellschafter wirkt, den Verkauf der Bankenkredite an Speyside nicht hätte ablehnen müssen, anstatt die Aktionäre ans Messer zu liefern.

Harter Hund hin oder her, meiner Meinung muss ein Sanierer nicht auf jedes Seelchen Rücksicht nehmen, wenn es dem Großen und Ganzen dient.

Ein Manager jedoch, der alle kleinen und die Mehrzahl der größeren Aktionäre ausplündert, um einer Clique von Firmenräubern in die Hände zu spielen, ist für mich ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Denn genau das passiert gerade bei SKW. Durch Squeeze-out, Kapitalschnitt und Insolvenz. Und die konsequente Entrechtung der Aktionäre. Ich bin jedoch kein Jurist und äußere nur meine persönliche Sicht der Dinge.

Ach ja, Kay Michel und das Stichwort Gier.

Wie man in den Geschäftsberichten aus den Jahren 2014 bis 2016 nachlesen kann, bezog der Vorstand eine extrem hohe Gesamtvergütung, die immer höher stieg, je schlechter das Geschäft lief:

  • 2014: 615.000 Euro
  • 2015: 852.000 Euro
  • 2016: 959.000 Euro

Insbesondere die variable Vergütung ist exorbitant:

  • 2014: 295.000 Euro
  • 2015: 455.000 Euro
  • 2016: 562.000 Euro

Diesem Traumgehalt stehen signifikant hohe Jahresfehlbeträge für die Geschäftsjahre 2014 bis 2016, sich konstant verschlechternde Finanzkennzahlen und ein Einbruch der Marktkapitalisierung um mehr als 75% seit Amtsantritt am Scherztag 1. April gegenüber. Ich glaube, das findet keiner lustig.

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